2-2-2005

 

HILDA DOOLITTLE

(1886 – 1961)

 

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Priapus: Keeper-of-Orchards

  

 

I SAW the first pear

as it fell--

the honey-seeking, golden-banded,

the yellow swarm

was not more fleet than I,

(spare us from loveliness)

and I fell prostrate

crying:

you have flayed us

with your blossoms,

spare us the beauty

of fruit-trees.

 

The honey-seeking

paused not,

the air thundered their song,

and I alone was prostrate.

 

O rough hewn

god of the orchard,

I bring you an offering--

do you, alone unbeautiful,

son of the god,

spare us from loveliness:

 

The fallen hazel-nuts,
Stripped late of their green sheaths,
The grapes, red-purple,
Their berries
Dripping with wine,
Pomegranates already broken,
And shrunken fig,
And quinces untouched,
I bring thee as offering.

 

PRÍAPO

Guardador-de-Pomares

 

Vi a primeira pêra

A cair.

O enxame amarelo, listrado de ouro,

Em busca de mel,

Não foi mais veloz do que eu

(Livra-nos da beleza!)

E caí prostrada,

Chorando.

Tu, que nos flagelaste com as flores,

Livra-nos da beleza

Das árvores de fruto!

 

As que buscavam o mel

Não pararam.

O ar ressoava com o seu canto

E só eu me prostrava.

 

Ó deus do pomar,

Talhado em tosco,

Venho trazer-te uma oferenda;

Tu, o que não é belo

(Filho do deus),

Livra-nos da beleza!

 

As avelãs caídas,

Despidas há pouco do invólucro verde,

Os cachos vermelho-púrpura

De bagos

Gotejando vinho,

Romãs já fendidas,

E figos mirrados,

E marmelos intactos,

Eis a minha oferenda.

 

Hilda Doolittle

 

 

 

Hermes of the Ways

The hard sand breaks,
and the grains of it
are clear as wine.

Far off over the leagues of it,
the wind,
playing on the wide shore,
piles little ridges,
and the great waves
break over it.

But more than the many-foamed ways
of the sea,
I know him
of the triple path-ways,
Hermes,
who awaits.

Dubious,
facing three ways,
welcoming wayfarers,
he whom the sea-orchard
shelters from the west,
from the east
weathers sea-wind;
fronts the great dunes.

Wind rushes
over the dunes,
and the coarse, salt-crusted grass
answers.

Heu,
it whips round my ankles!

        II

Small is
this white stream,
flowing below ground
from the poplar-shaded hill,
but the water is sweet.

Apples on the small trees
are hard,
too small,
too late ripened
by a desperate sun
that struggles through sea-mist.

The boughs of the trees
are twisted
by many bafflings;
twisted are
the small-leafed boughs.

But the shadow of them
is not the shadow of the mast head
nor of the torn sails.

Hermes, Hermes,
the great sea foamed,
gnashed its teeth about me;
but you have waited,
where sea-grass tangles with
shore-grass.

 

HERMES DOS CAMINHOS

 I

A areia dura estala

E os grão dela

São límpidos como o vinho.

 

Lá longe, por sobre as suas léguas,

O vento,

Brincando na vastidão da costa,

Ergue minúsculas cordilheiras,

E as grandes ondas

Rebentam-lhes por cima.

 

Mas mais do que os caminhos de mil espumas

Do mar,

Conheço-o a ele,

O das estradas triplas,

Hermes,

Aquele que espera.

 

Dúbio,

Face a três caminhos,

Dando as boas-vindas a viajantes,

Ele, a quem o pomar marinho

Abriga a ocidente,

A oriente

Expõe-se ao vento do mar;

Defronta as grandes dunas.

 

O vento investe

Pelas dunas

E a erva áspera que o sal encrostou

Responde.

 

Ui,

São chicotes nos tornozelos!

 

 

II

 

Pequeno é

Este ribeiro branco,

Fluindo abaixo do chão

Desde o monte sombreado de álamos,

Mas a água é suave.

 

Maçãs nas árvores rasteiras

São duras,

Pequenas demais,

Tardiamente amadurecidas

Por um sol desesperado

Debatendo-se contra a neblina.

 

Os ramos das árvores

Estão retorcidos

Pelos muitos ventos variáveis;

Retorcidos estão

Os ramos de folhas pequenas.

 

Mas a sombra que lançam

Não é a sombra do topo do mastro

Nem das velas rasgadas.

 

Hermes, Hermes,

O grande mar espumava

E rangia os dentes em meu redor;

Mas tu esperaste,

Onde a erva do mar se entrelaça

Na erva da terra.

 

 

 

   

 

Traduções de João Ferreira Duarte, em "LEITURAS, poemas do inglês", Relógio de Água, 1993. ISBN 972-708-204-1 

 

 

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Neue Zürcher Zeitung, 17. Februar 2007, Ressort Literatur und Kunst

Die grosse Fuge der Liebe

Hilda Doolittles letzter Gedichtzyklus

Jürgen Brôcan

H. D.: Hermetic Definition / Heimliche Deutung. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Draesner. Urs Engeler Editor, Basel 2006. 118 S., Fr. 36.–.

In der Regel empfiehlt es sich, Gedichte in wohldosierten Mengen zu geniessen, doch wenn man «Heimliche Deutung» von Hilda Doolittle in die Hand nimmt – einen Band, dessen Ausstattung schlichte Eleganz mit einem gewissen Werkstattcharakter verbindet, wie es für die Bücher aus dem Verlag Urs Engeler auf sympathische Weise üblich ist –, dann möchte man den Leser diesmal ermuntern, alle 44 Gedichte möglichst in einem Atemzug zu lesen. So nämlich erschliesst sich am besten die Struktur der wiederkehrenden Sätze und Motive, die wie bei einer musikalischen Fuge ineinandergreifen. Die geschmeidige, einfallsreiche und fast durchweg sonore Übersetzung von Ulrike Draesner tut ein Übriges, diese Strukturen lebendig werden zu lassen.

Die amerikanische Dichterin Hilda Doolittle, die auf Anregung Ezra Pounds unter dem Pseudonym H. D. schrieb, errichtete ihren letzten, postum publizierten Gedichtband auf biografischen Fakten. 1960, ein Jahr vor ihrem Tod in Zürich, wurde sie als erste Frau mit dem Award of Merit der American Academy of Arts and Letters ausgezeichnet. Bei der Verleihung begegnete ihr der dreissig Jahre jüngere, in Haiti geborene Journalist Lionel Durand wieder, den sie schon kurz zuvor in der Schweiz bei einem Interviewtermin getroffen hatte. Er war ihre letzte, allerdings unerfüllte Liebe. Neun Monate später starb Durand, und H. D. schrieb ihm zum Gedächtnis den dritten Teil von «Heimliche Deutung», eine Kathedrale der Leidenschaft, die zunächst «Notre-Dame d'Amour» heissen sollte.

H. D., die ehemalige kritische Freudianerin, die wie so viele andere mit C. G. Jungs Theorien liebäugelte, inszeniert in diesem Gedichtzyklus die archetypische Suche nach einem Geliebten, der zerstückelt worden ist – so wie es auch den Frauen widerfuhr, die «jede für sich, als eine Frau, Bruchstücke des Ewigen Geliebten suchen». In einer kühnen Zusammenschau von griechischen und ägyptischen Mythen, Metaphern aus der Kabbala, der Alchimie, der Astronomie und der christlichen Vorstellungswelt, verbunden mit Anspielungen auf Robert Ambelains «Dans l'ombre des cathédrales», auf den seinerzeit berühmten Zehnkämpfer Rafer Johnson und gespickt mit Zitaten aus Werken von Saint-John Perse, spielt H. D. verschiedene Emotionen von Sehnsucht bis Resignation durch, um am Ende die Auferstehung der Liebe durch das Schreiben zu feiern. Das Nigredo («Schwärzung»), in der Terminologie der Alchimisten eine Stufe bei der Gewinnung des Steins der Weisen, deutet H. D. dabei zu einem hellen Bild des Schöpferischen um. - Von der ehemaligen Imagistin ist hier nur die kristallklare Sprache geblieben, für die man sie schon früher bewundert hatte. Mit in der amerikanischen Lyrik sehr beliebten dreizeiligen Strophen präsentiert H. D. noch einmal die Summe ihres Könnens, überaus komplex und stilistisch auf der Höhe ihrer Zeit.

 

 

Why did you come
to trouble my decline?
I am old (I was old till you came);

the reddest rose unfolds,
(which is ridiculous
in this time, this place,

unseemly, impossible,
even slightly scandalous),
the reddest rose unfolds;

(nobody can stop that,

no immanent threat from the air,

not even the weather,

 

blighting our summer fruit),

the reddest rose unfolds,

(they've got to take that into account).

 

 

 

Warum kamst du, störst
meinen Lebensabend auf?
Ich bin alt (ich war alt bis du kamst);

die röteste Rose entfaltet sich,
(wie lächerlich
zu dieser Zeit, an diesem Ort,

unziemlich, unmöglich,
leicht skandalös sogar),
die röteste Rose entfaltet sich;

(niemand kann es aufhalten,
keine in der Luft liegende Gefahr,
nicht einmal das Wetter,

das die Früchte unseres Sommers zerstört),
die röteste Rose entfaltet sich,
(dem müssen sie Rechnung tragen).

 

 

 

 

 

FRANKFURTER RUNDSCHAU

Erscheinungsdatum 28.02.2007

Ägyptischer Bernstein

Schwach, wach, ach: Hilda Doolittles letztes poetisches Werk

VON JAN WAGNER

H.D./ Hilda Doolittle: Hermetic Definition. Heimliche Deutung. Amerikanisch und Deutsch. Übersetzt von Ulrike Draesner. Urs Engeler Editor, Basel 2006, 120 S., 19 Euro.

Als 1913 in Harriet Monroes kleiner, doch einflussreicher Zeitschrift Poetry drei Gedichte einer bis dahin vollkommen unbekannten Autorin erschienen, die mit "H.D., Imagiste" zeichnete, war die Welt um eine weitere literarische Bewegung reicher - und zwar um den Imagismus, der wie das rätselhafte Namenskürzel eine Erfindung Ezra Pounds war. Er war es auch, der die drei Gedichte eingereicht hatte - anstelle seiner Freundin Hilda Doolittle, aus deren Feder sie stammten, für deren Namen die Initialen standen und, nicht immer zu ihrer Freude, bis an ihr Lebensende stehen sollten.

Tatsächlich gelang es Doolittle nie, sich ganz von ihren "imagistischen" Anfängen zu lösen, jedenfalls nicht in den Augen der Öffentlichkeit. Auch wer sie nicht bloß als ungewöhnliche und eigenwillige Begleitdame der literarischen Moderne betrachtete (sie war mit W.C. Williams, Lawrence, Eliot, Marianne Moore und Gertrude Stein befreundet, um nur einige zu nennen), wusste doch zumeist nur von den frühen imagistischen Gedichten, nicht aber von den Romanen oder gar den epischen Großgedichten Trilogy oder Helen in Egypt.

 

Liebe zu einem jungen Mann

 

Ähnlich unbekannt sind bis heute Doolittles späte lyrische Werke, deren letztes nun erstmals in einer einfühlsamen deutschen Nachdichtung zu lesen ist, die nur an wenigen Stellen (aus "faint,/ faint,/ faint" wird bei Ulrike Draesner das fraglos unwiderstehliche "schwach,/ wach,/ ach") über das Original hinausgeht. "Warum kamst du, störst/ meinen Lebensabend auf?", lauten die Auftaktzeilen, mit denen das Thema auch schon angerissen ist: Hermetic Definition ist die poetische Auseinandersetzung Doolittles mit der letzten Liebe ihres Lebens - der zu einem dreißig Jahre jüngeren Mann, den sie kennenlernte, als die American Academy of Arts and Letters sie 1960, ein Jahr vor ihrem Tod, als erste Frau überhaupt mit ihrer Goldmedaille auszeichnete. Gleich das erste Gedicht, das wie die Gedichte aller drei Teile und wie viele der späteren Texte Doolittles in dreizeiliegen Strophen gehalten ist, führt das Bild der sich entfaltenden Rose ein, insistiert gleichsam auf ihm, während die Widerstände in Klammern verbannt werden: "die roteste Rose entfaltet sich/ (dem müssen sie Rechnung tragen)".

Es ist eines von vielen Motiven, die kunstvoll miteinander verwoben werden, wobei der Titel des zweiten Teils des Buches, "Hain der Gelehrten", ein deutlicher Hinweis ist: Nicht nur auf die Vielsprachigkeit des Poems - neben dem Englischen Deutsch, Altgriechisch und vor allem Französisch -, sondern auch auf die Tiefe und Bandbreite der Motive, auf die Vorlieben Doolittles, die sich gleichermaßen für die Kabbala, Tarot und Psychoanalyse (in den dreißiger Jahren war sie eine von Freuds Patientinnen) wie für Astrologie und Numerologie interessierte. Dass sie, wie Pound, eine Kennerin der griechischen, auch der ägyptischen Mythologie und Literatur war, wird ebenfalls schnell deutlich.

Der gewichtige kulturgeschichtliche Bezug wird jedoch immer wieder austariert durch Zeilen von treffsicherer Einfachheit - "ich bin alt,/ (ich war alt, bis du kamst)" - und durch die sehr persönliche, anrührende Art, in der sich H.D. ihren Zweifeln und Wünschen, der Liebe, der Kunst und dem Alter zu stellen versucht: "Ich sage, ich weiß nicht, was er denkt,/ ich sage, es ist mir egal,/ aber auch das ist nicht wahr,// aber war es recht und billig vom Schicksal,/ mir Bernstein zu schicken,/ ägyptischer Augen Bernstein// im Gesicht eines gewöhnlichen Mannes?"